Sonntag, 13. Juli 2008
peacecamp 2008: "Making peacemakers"
3. - 13. Juli 2008, in Reibers und Wien
peacecamp, 22:44h
33 Teenager aus vier höchst unterschiedlichen Gruppen – jüdische und arabische Israelis, Ungarn und Österreicher – nahmen vom 3. bis 13 Juli am peacecamp 2008, dem sechsten seiner Art, in Reibers und Wien teil. Mit einem Zertifikat wurden sie zum Abschluss zu "Ambassadors of Peace", zu Botschaftern des Friedens ernannt.
Die Jüngste war noch keine 14, die älteste Teilnehmerin schon fast 17 Jahre alt; eine Spanne, die unbemerkt blieb, weil sich alle, wirklich alle mit größter Gewissen- und Ernsthaftigkeit mit wichtigen und schwierigen Fragen auseinander setzten: Wie Krieg, Terror und Gewaltherrschaft entstehen und welche Wege aus diesen Katastrophen hinausführen.
Tägliche, im Vorfeld von jeder einzelnen Gruppe vorbereitete Präsentationen des mit ihrem jeweiligen Nachbarn gelebten Stücks Zeitgeschichte, sowie vom Historiker Wolfgang Fritz angeleitete Reflexionen zu Themen der Zeitgeschichte – dem Zusammenwachsen der von zwei Weltkriegen gezeichneten Staaten Europas zu einer Staatengemeinschaft, zur Gründung des Staates Israel nach der Shoah – bildeten den neuen und anspruchsvollen Kern des diesjährigen peacecamps. Wir gingen zur nahe gelegenen, nunmehr unsichtbar gewordenen österreichisch-tschechischen Grenze und überschritten diese ohne jegliche Kontrolle; wir ließen uns von einer dort lebenden Zeitzeugin erzählen, wie das Leben an dieser, von einem Eisernen Vorhang geteilten Grenze war; wir hörten von anderen Zeitzeugen, wie der Osten und der Westen Europas nach jahrzehntelanger Spaltung zu einer neuen, freien und demokratischen Gemeinschaft zusammenwuchsen und wie sehr all das das Leben jedes einzelnen Menschen geprägt und verändert hat. Wir hörten, wie die Juden aus der Verfolgung, Vertreibung und Ermordung unter Hitlers faschistischer Diktatur in einem autonomen und freien eigenen Staat Israel eine neue Heimat fanden, aber auch, was dies für die dortige arabische Bevölkerung bedeutet. Wir ließen uns von den arabischen TeilnehmerInnen erzählen, was es bedeutet, ein Araber israelischer Nationalität und palästinensischer Identität zu sein, wie der palästinensische Kampf um einen eigenen, autonomen Staat das Zusammenleben von Juden und Arabern in Israel prägt und zugleich erschwert und ließen eine Gruppe von Teenagern über "Wege aus dem arabisch-israelischen Konflikt" verhandeln. Andere Arbeitsgruppen gingen der "Einstellung zu Minderheiten", dem "Spannungsfeld zwischen nationaler und gemeinsamer Identität von Nationen und Staaten" oder Fragen wie "Xenophobie und Rassismus" nach. Und all das in Englisch, einer allen, TeilnehmerInnen wie Workshop-LeiterInnen, nicht unbedingt geläufigen Fremdsprache.
Wir waren uns nicht immer sicher, unsere Teenager mit dem dichten und anspruchsvollen Programm nicht ein wenig zu überfordern, doch bestätigte ihre durch Sprache und Inhalt geforderte Mitarbeit, dass sie für die entwickelten und zu diskutierenden Themen das nötige Interesse aufbringen konnten.
Ihre bewussten und unbewussten Gefühle, Einstellungen und Gedanken über sich selbst und Andre konnten alle, Teenager wie Erwachsene, in den vom Psychiater Silvio Gutkowski geleiteten psychoanalytischen Großgruppen reflektieren. Hier flossen manchmal auch Tränen, wenn man sich mit Fragen moralischen Rechts und Unrechts oder den eigenen, oft unbewussten Gefühlseinstellungen, wie zum Beispiel dem eigenen inneren Rassismus, zu konfrontieren hatte. Hier konnte man für die Sicht des Anderen Verständnis entwickeln, aber auch um Sympathie für den eigenen Standpunkt werben.
Ausgleich brachten der Austausch über die mitgebrachten Familienstammbäume und Fotoalben, die heiter-humorvollen "Kulturabende" mit ihren informativen, musikalischen, kulinarischen und anderen Schmankerln, die Herausforderung bei spannenden "Outdoor-Aktivitäten" (Workshop-Leiter Gerald Muthsam), die die TeilnehmerInnen vor "Mission Impossible-Aufgaben" stellten, die erst durch das Zusammenlegen von Kräften und Ressourcen lösbar wurden, vor allem aber die Jugendlichen aller Nationen gemeinsame Freude am geselligen Beisammensein, Singen, Tanzen, Musizieren, Lärm machen und Verlieben.
Die von den Tanz- und Musikpädagoginnen Linda Frey, Maria Moritz und Barbara Goesch angeleiteten Workshops führten zur show4peace, die bei den Abschlussfeiern in Reibers und im Dschungel Wien (im MuseumsQuartier) vor viel Publikum und Vertretern von Politik und Medien aufgeführt wurde. Sie dokumentiert den gelungenen Versuch von Jugendlichen aus unterschiedlichen, teilweise in Konflikt befindlichen Nationen zu kooperieren und etwas Herzeigbares zu produzieren, auf das sie zu Recht stolz sein konnten.
Am Flughafen Wien-Schwechat flossen zum Abschied viele Tränen, weil man von neu gefundenen Freunden, auch vom neuen Herzblatt Abschied nehmen musste.
Geplant ist eine zweite Begegnung aller – in Israel, im Frühjahr 2009.
Die wissenschaftliche Begleitung und Aufarbeitung mittels Beobachtungsprotokollen und Tiefeninterviews erfolgt durch Bianca Blaickner, Expertin in Interkulturellem Konflikt-Management. Unterstützt und komplettiert wurde das Team von insgesamt 15 Erwachsenen durch Sonja Haberbusch sowie fünf begleitende LehrerInnen aus Israel und Ungarn.
Evelyn Böhmer-Laufer und Ronny Böhmer
13.07.08
Die Jüngste war noch keine 14, die älteste Teilnehmerin schon fast 17 Jahre alt; eine Spanne, die unbemerkt blieb, weil sich alle, wirklich alle mit größter Gewissen- und Ernsthaftigkeit mit wichtigen und schwierigen Fragen auseinander setzten: Wie Krieg, Terror und Gewaltherrschaft entstehen und welche Wege aus diesen Katastrophen hinausführen.
Tägliche, im Vorfeld von jeder einzelnen Gruppe vorbereitete Präsentationen des mit ihrem jeweiligen Nachbarn gelebten Stücks Zeitgeschichte, sowie vom Historiker Wolfgang Fritz angeleitete Reflexionen zu Themen der Zeitgeschichte – dem Zusammenwachsen der von zwei Weltkriegen gezeichneten Staaten Europas zu einer Staatengemeinschaft, zur Gründung des Staates Israel nach der Shoah – bildeten den neuen und anspruchsvollen Kern des diesjährigen peacecamps. Wir gingen zur nahe gelegenen, nunmehr unsichtbar gewordenen österreichisch-tschechischen Grenze und überschritten diese ohne jegliche Kontrolle; wir ließen uns von einer dort lebenden Zeitzeugin erzählen, wie das Leben an dieser, von einem Eisernen Vorhang geteilten Grenze war; wir hörten von anderen Zeitzeugen, wie der Osten und der Westen Europas nach jahrzehntelanger Spaltung zu einer neuen, freien und demokratischen Gemeinschaft zusammenwuchsen und wie sehr all das das Leben jedes einzelnen Menschen geprägt und verändert hat. Wir hörten, wie die Juden aus der Verfolgung, Vertreibung und Ermordung unter Hitlers faschistischer Diktatur in einem autonomen und freien eigenen Staat Israel eine neue Heimat fanden, aber auch, was dies für die dortige arabische Bevölkerung bedeutet. Wir ließen uns von den arabischen TeilnehmerInnen erzählen, was es bedeutet, ein Araber israelischer Nationalität und palästinensischer Identität zu sein, wie der palästinensische Kampf um einen eigenen, autonomen Staat das Zusammenleben von Juden und Arabern in Israel prägt und zugleich erschwert und ließen eine Gruppe von Teenagern über "Wege aus dem arabisch-israelischen Konflikt" verhandeln. Andere Arbeitsgruppen gingen der "Einstellung zu Minderheiten", dem "Spannungsfeld zwischen nationaler und gemeinsamer Identität von Nationen und Staaten" oder Fragen wie "Xenophobie und Rassismus" nach. Und all das in Englisch, einer allen, TeilnehmerInnen wie Workshop-LeiterInnen, nicht unbedingt geläufigen Fremdsprache.
Wir waren uns nicht immer sicher, unsere Teenager mit dem dichten und anspruchsvollen Programm nicht ein wenig zu überfordern, doch bestätigte ihre durch Sprache und Inhalt geforderte Mitarbeit, dass sie für die entwickelten und zu diskutierenden Themen das nötige Interesse aufbringen konnten.
Ihre bewussten und unbewussten Gefühle, Einstellungen und Gedanken über sich selbst und Andre konnten alle, Teenager wie Erwachsene, in den vom Psychiater Silvio Gutkowski geleiteten psychoanalytischen Großgruppen reflektieren. Hier flossen manchmal auch Tränen, wenn man sich mit Fragen moralischen Rechts und Unrechts oder den eigenen, oft unbewussten Gefühlseinstellungen, wie zum Beispiel dem eigenen inneren Rassismus, zu konfrontieren hatte. Hier konnte man für die Sicht des Anderen Verständnis entwickeln, aber auch um Sympathie für den eigenen Standpunkt werben.
Ausgleich brachten der Austausch über die mitgebrachten Familienstammbäume und Fotoalben, die heiter-humorvollen "Kulturabende" mit ihren informativen, musikalischen, kulinarischen und anderen Schmankerln, die Herausforderung bei spannenden "Outdoor-Aktivitäten" (Workshop-Leiter Gerald Muthsam), die die TeilnehmerInnen vor "Mission Impossible-Aufgaben" stellten, die erst durch das Zusammenlegen von Kräften und Ressourcen lösbar wurden, vor allem aber die Jugendlichen aller Nationen gemeinsame Freude am geselligen Beisammensein, Singen, Tanzen, Musizieren, Lärm machen und Verlieben.
Die von den Tanz- und Musikpädagoginnen Linda Frey, Maria Moritz und Barbara Goesch angeleiteten Workshops führten zur show4peace, die bei den Abschlussfeiern in Reibers und im Dschungel Wien (im MuseumsQuartier) vor viel Publikum und Vertretern von Politik und Medien aufgeführt wurde. Sie dokumentiert den gelungenen Versuch von Jugendlichen aus unterschiedlichen, teilweise in Konflikt befindlichen Nationen zu kooperieren und etwas Herzeigbares zu produzieren, auf das sie zu Recht stolz sein konnten.
Am Flughafen Wien-Schwechat flossen zum Abschied viele Tränen, weil man von neu gefundenen Freunden, auch vom neuen Herzblatt Abschied nehmen musste.
Geplant ist eine zweite Begegnung aller – in Israel, im Frühjahr 2009.
Die wissenschaftliche Begleitung und Aufarbeitung mittels Beobachtungsprotokollen und Tiefeninterviews erfolgt durch Bianca Blaickner, Expertin in Interkulturellem Konflikt-Management. Unterstützt und komplettiert wurde das Team von insgesamt 15 Erwachsenen durch Sonja Haberbusch sowie fünf begleitende LehrerInnen aus Israel und Ungarn.
Evelyn Böhmer-Laufer und Ronny Böhmer
13.07.08
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